BGH: Weitere Konkretisierung der Rechtsprechung zur Steuerberaterhaftung
Der Bundesgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 06.02.2014 – IX ZR 53/13 darauf erkannt, dass Steuerberater, die im Rahmen eines rein steuerrechtlichen Mandats in konkrete Erörterungen zur möglichen Insolvenzsituation der mandatierenden Gesellschaft eintreten, Hinweis darauf zu erteilen haben, dass eine verbindliche Klärung nur erreicht werden könne, wenn Ihnen oder fachlich geeigneten Dritten ein entsprechender Prüfauftrag erteilt werde. Im zugrundeliegenden Fall hat der Steuerberater die Frage nach dem Vorliegen eines Insolvenzgrunds unbeantwortet gelassen. Der Bundesgerichtshof hat festgestellt, dass der Steuerberater seiner oben dargestellten Pflicht nicht genügt hat, indem er trotz Frage des Mandanten nach der insolvenzrechtlichen Überschuldung es „bei unverbindlichen Diskussionen über ihre wirtschaftliche Lage beließ“.
Die Entscheidung ist im Zusammenhang zu sehen mit einer Vielzahl von jüngeren Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, in welchen er die Haftung von Steuerberatern bei Insolvenzverschleppungsschäden konkretisiert hat. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang die Ausgangslage, wonach die Geschäftsführer einer GmbH zur Vermeidung einer Haftung gehalten sind, jedenfalls im Falle krisenhafter Anzeichen für eine Organisation zu sorgen, die ihnen jederzeit die erforderliche Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft ermöglicht (BGH, Urt. v. 19.06.2012 – II ZR 243/11). Verfügt der Geschäftsführer nicht über ausreichende persönliche Kenntnisse zur Durchführung dieser Prüfung, ist er nur dann entschuldigt, wenn er sich unter umfassender Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen von einer unabhängigen, für die zu klärenden Fragestellungen fachlich qualifizierten Personen hat beraten lassen und danach keine Insolvenzreife festzustellen war (BGH, Urt. v. 14.03.2012 – IX ZR 171/10). Die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführers gebietet es zudem, dass Prüfergebnis einer Plausibilitätskontrolle zu unterziehen (BGH, Urt. v. 14.03.2012 – IX ZR 171/10). Es kommt vor diesem Hintergrund häufig vor, dass der Geschäftsführer dem Steuerberater der Gesellschaft einen derartigen Prüfauftrag erteilt, weil dieser mit den Verhältnissen der Gesellschaft ohnehin in erheblichem Umfang vertraut ist. Das Haftungsrisiko für den Steuerberater hat der Bundesgerichtshof in seinen Urteilen vom 13.10.2011 – IX ZR 193/10, 14.06.2012 – IX ZR 145/11, 07.03.2013 – IX ZR 64/12 und 06.06.2013 – IX ZR 204/12 einer näheren Betrachtung unterzogen. Danach gilt insbesondere, dass der Geschäftsführer als Dritter in den Schutzbereich eines Umsatzsteuermandates einbezogen sein kann, welches die GmbH erteilt hat. Die Gesellschafter und Geschäftsführer können zudem in den Schutzbereich eines zwischen einer GmbH und einem Steuerberater geschlossenen Vertrages einbezogen sein, welcher die Prüfung einer möglichen Insolvenzreife der GmbH zum Gegenstand hat. Zwar begründe das steuerberatende Dauermandat von einer GmbH „bei üblichem Zuschnitt“ keine Pflicht, die Mandantin bei einer Unterdeckung in der Handelsbilanz auf die Pflicht ihres Geschäftsführers hinzuweisen, eine Überprüfung in Auftrag zu geben oder selbst vorzunehmen, ob Insolvenzreife besteht. Das dargestellte Urteil vom 06.02.2014 – IX ZR 53/13 schränkt die Verteidigungsmöglichkeiten des Steuerberaters in derartigen Fällen indessen deutlich ein. Schließlich gilt, dass der vertraglich lediglich mit der Erstellung der Steuerbilanz betraute Steuerberater der Gesellschaft wegen der Folgen der dadurch bedingten verspäteten Insolvenzantragstellung haftet, wenn er erklärt, dass eine insolvenzrechtliche Überschuldung nicht vorliege. Der durch eine verspätete Insolvenzantragstellung verursachte Schaden der Gesellschaft bemisst sich nach der Differenz zwischen ihrer Vermögenslage im Zeitpunkt rechtzeitiger Antragstellung im Vergleich zu ihrer Vermögenslage im Zeitpunkt des tatsächlich gestellten Antrags. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass die Gesellschaft mit Rücksicht auf ihre Selbstprüfungspflicht regelmäßig ein Mitverschulden bei der Verursachung des Schadens trifft.
Die Entscheidungen belegen das hohe Haftungsrisiko für Steuerberater in der Krise von ihnen betreuter Gesellschaften und die enge Verzahnung von Allgemeinem Zivilrecht, Insolvenzrecht und Steuerrecht in diesem Bereich. Wird der Steuerberater außerhalb des rein steuerrechtlichen Mandats in Fragen des Insolvenzrechts beratend tätig, treffen ihn u.U. weitreichende Aufklärungspflichten. Haftbar kann er sich selbst dann machen, wenn er – bewusst oder unbewusst – davon absieht, klar zur Insolvenzreife der Gesellschaft Stellung zu beziehen.