Insolvenz in Deutschland – Arbeit in der Schweiz – Die Obliegenheiten des Schuldners im Insolvenzverfahren
Der Schuldner befand sich in einem deutschen Insolvenzverfahren und arbeitete in der Schweiz. Der Schweizer Arbeitgeber des Schuldners weigerte sich, unter Berufung auf dortiges Recht, die pfändbaren Beträge an den Treuhänder auszuzahlen.
Der Schuldner führte „zu geringe“ Beträge an die Masse ab und berief sich hierbei auf die erhöhten Lebenshaltungskosten in der Schweiz.
Das Gericht versagte dem Schuldner die Restschuldbefreiung, weil dieser gegen seine Obliegenheiten nach § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO verstoßen hat, während der Laufzeit der Abtretungserklärung eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben und wenn er ohne Beschäftigung ist, sich um eine solche zu bemühen und keine zumutbare Tätigkeit abzulehnen.
Nach Auffassung des Landgerichts Stendal ist in solchen Fällen, wo sich der Arbeitgeber weigert, unter Berufung auf dortiges Recht, die pfändbaren Beträge an den Treuhänder auszahlen, § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO über seinen Wortlaut dahingehend auszulegen, dass der Schuldner den pfändbaren Betrag selbst an den Treuhänder auszukehren hat.
Das Gericht führt aus, dass die Obliegenheiten des Schuldners einen doppelten Zweck haben, nämlich zum einen der effektiven Haftungsverwirklichung und zum anderen der Vermeidung eines Missbrauchs der Restschuldbefreiung. Damit es zu einer möglichst hohen Gläubigerbefriedigung kommt, müssen die pfändbaren Beträge aber auch tatsächlich zur Masse gelangen. In einer Situation, in welcher sich der Arbeitgeber weigert, die pfändbaren Beträge auszuzahlen, muss der Schuldner, weil der Treuhänder keinen unmittelbaren Zugriff auf das Einkommen hat, die pfändbaren Beträge selbst abführen.
Das Gericht scheint das Argument, dass in der Schweiz höhere Lebenshaltungskosten herrschen, anzuerkennen, betont jedoch, dass es dem Schuldner nicht frei stehe, nach seinem Belieben festzusetzen, welchen Betrag über den gesetzlich vorgesehenen Pfändungsfreigrenzen er einbehalten kann. Vielmehr muss der Schuldner in einem solchen Fall das geordnete Verfahren nach § 36 InsO, 850 f ZPO anstrengen. Nach diesen Vorschriften kann das Insolvenzgericht dem Schuldner auf Antrag einen an sich pfändbaren Teil seines Arbeitseinkommens belassen, wenn er nachweist, dass bei Anwendung der Pfändungsfreigrenzen der notwendige Lebesunterhalt für sich und seine Unterhaltsberechtigten nicht gedeckt ist, besondere Bedürfnisse aus persönlichen oder beruflichen Gründen bestehen oder der besondere Umfang der gesetzlichen Unterhaltspflichten dies erfordert und überwiegende Belange des Gläubigers nicht entgegenstehen.
Christian Hausherr
Fachanwalt für Insolvenzrecht
Fachanwalt für Arbeitsrecht