Richtiges Handeln in der Unternehmenskrise
Was Sie als GmbH-Geschäftsführer in der Unternehmenskrise beachten sollten
Die Insolvenz wird oft verschleppt, weil Geschäftsführer (GF) die Insolvenzantragspflicht entweder nicht (rechtzeitig) erkennen oder nicht danach handeln. Zwar ist die „freie“ Sanierung außerhalb eines Insolvenzverfahrens oft der beste Weg. Sie ist aber auch gefährlich, wenn sie nicht ordentlich geplant und durchgeführt wird. Hier drohen dem GF Haftungsgefahren, wenn die Sanierung scheitert.
1. Welche Risiken bestehen?
In der Krise ergeben sich für Geschäftsführer Handlungspflichten, die vor allem die Gläubiger schützen sollen und deren Verletzung zu strafrechtlicher, zivilrechtlicher und steuerrechtlicher Haftung führen. Und zwar trotz der beschränkten Haftung der GmbH!
Bei Eintritt von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung muss der Geschäftsführer einer GmbH unverzüglich, spätestens drei Wochen nach Eintritt von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung einen Insolvenzantrag stellen (§ 15a I S. 1 InsO). Diese Frist darf der Geschäftsführer nur ausnutzen, wenn begründete Sanierungsaussichten bestehen. Stellt er den Antrag nicht oder nicht rechtzeitig, macht er sich strafbar (§ 15a IV, V InsO).
Nach § 64 GmbHG ist der Geschäftsführer zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der materiellen Insolvenz geleistet werden, wenn sie nicht „mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns“ vereinbar sind. Die Rechtsprechung zu dieser Regelung ist strikt, und die Haftungssummen sind regelmäßig für den Geschäftsführer existenzbedrohend.
Wenn die vorhandene Liquidität zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs genutzt wird, beispielsweise um Lieferantenverbindlichkeiten oder Löhne zu zahlen, anstatt der fälligen Steuern, droht eine persönliche Haftung des GF nach § 69 AO für Steuerverbindlichkeiten der GmbH, wenn er die Steuerschulden schlechter behandelt hat als andere Verbindlichkeiten.
Zahlt der GF keine Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung, kann er sich nach § 266a StGB strafbar machen. Über § 823 Abs. 2 BGB ergibt sich dann eine Schadensersatzpflicht des GF selbst dann, wenn die Löhne und Gehälter der Arbeitnehmer nicht ausgezahlt werden.
Werden Waren oder Dienstleistungen bestellt, die später aufgrund der eingetretenen Insolvenz nicht mehr bezahlt werden können, kann ein Eingehungsbetrug vorliegen (§ 263 StGB). Dem Vertragspartner haftet der GF dann über § 823 II BGB für den Forderungsausfall.
In der Krise versuchen Geschäftsführer manchmal die wirtschaftliche Situation des Unternehmens gegenüber Banken und Großgläubigern besser darzustellen als sie tatsächlich ist, beispielsweise durch Nichtberücksichtigung von Rückstellungen für laufende Rechtstreite, oder Forderungen die nicht wertberichtigt werden, obwohl die Uneinbringlichkeit bereits feststeht. Hierin kann ein strafbarer Kreditbetrug liegen, der eine persönliche Haftung nach sich ziehen kann.
Daneben spielen regelmäßig die speziellen Insolvenzdelikte wie Bankrott (§ 283 StGB), Gläubigerbegünstigung (§ 283c StGB) oder Verletzung der Buchführungspflichten (§ 283b StGB) eine Rolle.
2. Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung
Grundsätzlich ist der GF dazu verpflichtet, die wirtschaftliche Lage des Unternehmens kontinuierlich zu kontrollieren. Während in frühen Krisenstadien oft keine Haftungsgefahren drohen, ändert sich dies spätestens, wenn eine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit eintritt.
2.1 Zahlungsunfähigkeit
Zahlungsunfähig im Sinne von § 17 InsO ist in der Regel, wer über einen Zeitraum von 3 Wochen, mindestens 10 Prozent seiner fälligen Verbindlichkeiten nicht begleichen kann.
In einem ersten Schritt ist ein stichtagsbezogener Liquiditätsstatus zu erstellen, in welchem die verfügbaren Zahlungsmittel und die fälligen Verbindlichkeiten gegenübergestellt werden. Wenn sich daraus eine Liquiditätslücke ergibt, ist in einem zweiten Schritt ein Finanzplan aufzustellen, der die Zahlungsmittelzuflüsse und Zahlungsmittelabflüsse der kommenden drei Wochen darstellt.
Ergibt sich aus dem Finanzplan, dass die Liquiditätslücke innerhalb von drei Wochen beseitigt ist, liegt keine Zahlungsunfähigkeit vor. Ist die Liquiditätslücke kleiner als 10 Prozent und in absehbarer Zeit zu beseitigen, liegt lediglich eine Zahlungsstockung vor und keine Zahlungsunfähigkeit vor. Soweit die Lücke 10 Prozent oder größer ist, liegt in der Regel Zahlungsunfähigkeit vor, wenn die Schließung nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit kurzfristig erfolgt.
Nach unserer Erfahrung wird eine Zahlungsunfähigkeit häufig nicht erkannt, weil entweder die Fälligkeiten von Verbindlichkeiten rechtlich falsch beurteilt oder die liquiden Mittel zu optimistisch eingeschätzt werden. Beispielsweise ist eine Kontoüberziehung eine fällige Verbindlichkeit gegenüber der Bank, und eine Schuld gegenüber einem Lieferanten ist nach Erhalt der Rechnung fällig, auch wenn dieser erfahrungsgemäß erst nach drei Monaten mahnt. Ausstehende Forderungen können nur zu den Zeitpunkten und in der Höhe in den Liquiditätsplan eingestellt werden, zu denen realistisch mit einem Zahlungseingang gerechnet werden kann.
2.2 Insolvenzrechtliche Überschuldung
Überschuldung im Sinne von § 19 InsO liegt vor, wenn das Vermögen die Verbindlichkeiten nicht mehr deckt (rechnerische Überschuldung), es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist überwiegend wahrscheinlich (keine positive Fortbestehensprognose).
Bei der Aufstellung eines Überschuldungsstatus muss sorgfältig geprüft werden, welche Positionen in den Überschuldungsstatus einzustellen sind und wie diese zu bewerten sind. Beispielsweise sind Forderungen mit realisierbaren Werten unter Berücksichtigung einer Ausfallsquote bzw. konkreter Ausfallrisiken anzusetzen. Schwierig und umstritten ist auch der Ansatz bzw. die Bewertung von streitigen Verbindlichkeiten.
Eine positive Fortbestehensprognose ist im Kern eine Zahlungsfähigkeitsprognose für das laufende und das folgende Geschäftsjahr, die einer nachvollziehbaren Vermögens-, Finanz- und Ertragsplanung bedarf.
3. Früh erkennen und rechtzeitig handeln
Üblicherweise kündigt sich eine Krise über einen längeren Zeitraum an. Man unterscheidet verschiedene Krisenstadien (Stakeholderkrise, Strategiekrise, Produkt- und Absatzkrise, Erfolgskrise), die zeitlich unterschiedlich weit vor Eintritt der Insolvenzreife liegen. Es ist wichtig, die Krise so früh wie möglich zu erkennen, weil dann der Handlungsspielraum am größten ist.
Spätestens ab dem Stadium der Erfolgskrise lässt sich die existenzbedrohende Entwicklung leicht aus der BWA erkennen. Um davor liegende Krisenstadien zu erkennen, bietet es sich an, ein Risikomanagement- und Krisenfrühwarnsystem einzurichten. Doch auch viele größere Unternehmen besitzen kein Frühwarnsystem, da kein Handlungsdruck verspürt wird, solange „alles gut läuft“.
Krisen frühzeitig zu erkennen setzt eine hohe Sensibilität der verantwortlichen Personen voraus. Daneben ist eine offene Kommunikationskultur hilfreich, so dass bedeutende Informationen an die richtigen Stellen im Unternehmen gelangen.
Wenn die Krise erkannt wird, muss konsequent gehandelt werden. Es ist häufig zu beobachten, dass Unternehmer über lange Zeit die Verluste der Gesellschaft finanzieren (sogar unter Einsatz des privaten Vermögens), ohne aber die Verlustquellen zu beseitigen. Davor muss dringend gewarnt werden, weil so die letzten für eine Sanierung noch zur Verfügung stehenden Mittel sinnlos verbrannt werden.
4. Sofortmaßnahmen
Ist es nicht gelungen, rechtzeitig gegenzusteuern und stellt der GF fest, dass die Gesellschaft bereits zahlungsunfähig oder überschuldet ist, ist zur Vermeidung von Strafbarkeit und Haftung erforderlich, Sofortmaßnahmen zu treffen, um den Insolvenzgrund (Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung) und damit die Antragspflicht zu beseitigen, deren Verletzung strafbewehrt ist.
Als Sofortmaßnahmen zur Beseitigung der Überschuldung kommen beispielsweise Kapitalerhöhung, Patronatserklärung, Rangrücktrittserklärung und Forderungsverzichte in Betracht.
Zur Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit eignen sich die Neuaufnahme von Krediten, die Verwertung von Vermögen, sowie die Stundung von Verbindlichkeiten und Stillhalteabreden.
5. Anforderungen des BGH an ein Sanierungskonzept?
Wenn die Insolvenzgründe durch vorgenannte Sofortmaßnahmen beseitigt werden konnten, muss das Sanierungskonzept erarbeitet werden. Nach der Rechtsprechung des BGH hat ein Sanierungskonzept im Wesentlichen folgende Anforderungen zu erfüllen.
- Das Sanierungskonzept muss von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgehen, in sich schlüssig sein und darf nicht offensichtlich undurchführbar sein.
- Die Prüfung muss die wirtschaftliche Lage des Schuldners im Rahmen seiner Branche analysieren und die Krisenursachen sowie die Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage erfassen.
- Das Unternehmen ist aus Sicht eines objektiven Dritten nach einer ex-ante Betrachtung objektiv sanierungsfähig.
- Die Maßnahmen müssen geeignet sein, das Unternehmen in überschaubarer Zeit zu sanieren.
6. Vorteile der Sanierung im Insolvenzverfahren gegenüber der „freien“ Sanierung
Bei der Abwägung zwischen der sog. „freien“ Sanierung außerhalb eines Insolvenzverfahrens und der Sanierung im Insolvenzverfahren muss berücksichtigt werden, dass nicht jeder Beteiligte das Unternehmen (um jeden Preis) erhalten will.
Die Vorteile der „freien“ Sanierung, wie das Fehlen eines Insolvenz- oder Sachwalters, sowie die fehlende Veröffentlichung sind den meisten Geschäftsführern bekannt. Die Vorteile der Sanierung im Insolvenzverfahren sind dagegen häufig nicht bekannt. Hervorzuheben sind:
- Reduzierte Haftungsrisiken
- Schutz vor Vollstreckungsmaßnahmen
- Drucksituation für alle Beteiligten zum Handeln
- Liquiditätshilfen durch Insolvenzgeld und Tilgungsstopp
- Erleichterte Möglichkeiten der Vertragsbeendigung
- Verkürzte Kündigungsfristen im Arbeitsrecht und Mietrecht
- Deckelung von Sozialplanvolumen
- Einbeziehung unwilliger Gläubiger
7. Fazit
Der Geschäftsführer bewegt sich in der Krise des Unternehmens zwischen Strafbarkeit und persönlicher Haftung. Je früher Krisen erkannt werden und gegengesteuert wird, desto besser sind die Erfolgsaussichten der Sanierung. Es ist wichtig, dass Geschäftsführer und Mitarbeiter ein entsprechendes Problembewusstsein entwickeln und Strukturen schaffen, die die Früherkennung von Krisen gewährleisten.
Zur Vermeidung von Strafbarkeit und Haftung muss der Geschäftsführer in der Krise regelmäßig prüfen, ob Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vorliegt und dies – ganz wichtig – auch dokumentieren.
Die Vorteile der Sanierung im Insolvenzverfahren sollten im Rahmen der Erstellung des Sanierungskonzepts mitbedacht werden.
Parallel zur „freien“ Sanierung sollte der Insolvenzantrag vorbereitet werden, damit im Falle des Scheiterns der „freien“ Sanierung keine Zeit verloren geht (zweigleisiges Vorgehen).
RA Christian Hausherr