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Wenn Erben vom Zufall abhängt

Höfeordnung

Stellen Sie sich vor, Ihnen gehört Hof mit einem im Grundbuch eingetragenen Hofvermerk. Ihre eigenen Kinder sind allesamt nicht wirtschaftsfähig. Dafür aber ein entfernter Verwandter – und der erbt später Ihren Hof. Das wollen Sie nicht? Dann tun Sie was.

Seit Jahrzehnten sind in Niedersachsen nach Angaben des Landesbetriebs für Statistik über 50 Prozent der Landfläche verpachtet. Es sind vor allem kleine Höfe, die verpachtet sind. In solchen Verpächter-Familien wächst normalerweise niemand mehr in die Landwirtschaft hinein. Jeder dieser Höfe hat aber automatisch einen Hofvermerk im Grundbuch erhalten, als die Höfeordnung (HöfeO) 1947 erlassen wurde.

Wer einen Hof mit Hofvermerk erben will, muss wirtschaftsfähig sein (§ 7 Abs. 1 HöfeO). Wirtschaftsfähig ist, wer den landwirtschaftlichen Betrieb, den er erbt, eigenständig bewirtschaften kann. Es reicht also nicht aus, nur Verpächter zu sein. Auch wenn der Betrieb verpachtet ist, muss der Hoferbe in der Lage sein, ihn anzuspannen. Wenn eine solche Verpächter-Familie in der Seitenlinie noch einen Landwirt hat, kann es also passieren, dass die eigenen Kinder den Hof nicht erben.

In solchen Konstellationen hängt es oft vom Zufall ab, ob die Kinder den Hof bekommen oder nicht. Dazu ein Beispiel aus der Praxis: Eine Bäuerin aus dem Harzvorland bewirtschaftete gemeinsam mit ihrem Mann einen 17 Hektar großen Ackerbaubetrieb. Das Ehepaar hatte zwei Töchter. Für den Hof war ein Hofvermerk im Grundbuch eingetragen. Keine Tochter hat Landwirtschaft gelernt, auch die Enkelkinder nicht. Der Neffe der Bäuerin ist jedoch Landwirt und bewirtschaftet einen eigenen Hof.

Die Bäuerin starb, ohne ein Testament hinterlassen zu haben. Ihre Kinder und Enkelkinder konnten den Hof nicht erben. Es gilt nämlich folgendes: Auch Ehepartner, Kinder und Enkelkinder erben den Hof nicht automatisch. Stattdessen erbt der nächste wirtschaftsfähige Verwandte. Das sind zunächst Kinder des Erblassers und deren Nachkommen. Hat der Erblasser keine wirtschaftsfähigen Kinder, kommt der Ehegatte zum Zug. In diesem Fall war der Ehemann wirtschaftsfähig, da er den Hof immer mitbewirtschaftet hatte. Er wurde also Hoferbe.

Ein Jahr später verstarb der Witwer. Auch er hatte kein Testament hinterlassen. Doch nun erbten die Töchter, denn der Vater hatte keine wirtschaftsfähigen Verwandten. Außerdem hatte er den Betrieb zwischenzeitlich stillgelegt, so dass ein gewöhnlicher Erbschein statt eines Hoffolgezeugnisses erteilt worden ist.

Wäre der Landwirt aber bereits vor seiner Ehefrau verstorben, hätten nach ihrem Tod statt der beiden Töchter ihre eigenen Geschwister und deren Nachkommen geerbt – also ihr wirtschaftsfähiger Neffe. Die Töchter hätten als weichende Erben nur eine geringe Abfindung bekommen (§ 12 HöfeO). Im vorliegenden Fall waren das zirka 6.000 Euro für jede Tochter.

Ein solches Ergebnis kann auf verschiedene Weisen verhindert werden:

Hofvermerk löschen

Diesen Hofvermerk kann man aber im Grundbuch löschen lassen, auch bei aktiven Betrieben. Danach kann man den Hof frei vererben. Die Gefahr dabei ist, dass die Pflichtteilsrechte der Geschwister und des überlebenden Ehegatten stark ansteigen.

Hof stilllegen

Auch wenn ein Hofvermerk im Grundbuch steht, handelt es sich nicht immer um einen Hof im Sinne der HöfeO. Wenn der Wirtschaftswert unter 5.000 Euro fällt oder der Hof unter keinen Umständen wieder in Eigenbewirtschaftung genommen werden kann, weil beispielsweise die Maschinen oder die Hofstelle nicht mehr existieren oder das Land einzeln verpachtet worden ist, muss der Hofvermerk von Amts wegen gelöscht werden. Ein solcher Hof wird nicht nach HöfeO vererbt. Dies ist aber eine sehr unsichere Vorgehensweise. Den Hofvermerk zu löschen, ist vorzuziehen.

Testament oder Erbvertrag

Die Wirtschaftsfähigkeit vorauszusetzen, ist nach wie vor sinnvoll. Oft genug bleibt das Kind, das den Hof übernehmen soll, auf dem Hof, während die anderen Kinder weg ziehen. Wenn drei oder mehr Generationen auf einem Hof leben, kann das zu Streit führen, besonders wenn der Landwirt und sein Kind den Hof gemeinsam führen und sich beide Familien dasselbe Grundstück teilen. Auch aus diesem Grund schreibt die HöfeO vor, dass derjenige, der den Hof bereits bewirtschaftet oder für seine Bewirtschaftung ausgebildet ist, ihn auch bekommen soll, sofern er wirtschaftsfähig ist.

Wenn niemand wirtschaftsfähig ist – in Verpächter-Familien ist das der Regelfall – muss auch niemand geschützt werden. Nach § 7 Abs. 1 S. 2 HöfeO können Abkömmlinge als Erben eingesetzt werden, auch wenn sie nicht wirtschaftsfähig sind. Das setzt aber voraus, dass kein weiterer Nachkomme und auch kein Ehegatte wirtschaftsfähig sind. Wenn ein wirtschaftsfähiger Nachkomme vorhanden ist, darf er nicht gezielt mit einem Testament umgangen werden.

Hofübergabe unter Lebenden

Der beste Weg ist, den Hof schon zu Lebzeiten an ein Kind zu übergeben. Der Hof kann auch zu Lebzeiten an ein nicht wirtschaftsfähiges Kind übergeben werden, wenn weder der Ehegatte, noch ein Nachkomme des Übergebenden wirtschaftsfähig ist. Auf diese Art kann der Erbe auch ganz erheblich Erbschaftssteuer sparen, wenn der Erblasser die Hofübergabe um wenigstens zehn Jahre überlebt. Damit die Geschwister des Übernehmers nicht benachteiligt werden, sollte der Übernehmer nach seinen Eltern einen Pflichtteilsverzicht abgeben. Außerdem sollten die Eltern die übrigen Kinder in ihrem Testament berücksichtigen.

Landwirtschaftliche Schulungskurse

Wenn die Eltern nicht bereit sind, ein Kind testamentarisch als Hoferben einzusetzen, den Hofvermerk zu löschen oder den Hof zu Lebzeiten zu übergeben, kann der Hoferbe selbst aktiv werden und seine Wirtschaftsfähigkeit durch eine landwirtschaftliche Lehre oder durch Kurse an der Landwirtschaftsschule herstellen. Die Wirtschaftsfähigkeit muss im Erbfall aber schon bestehen. Wichtig ist, dass der Erbe genau den Hof bewirtschaften können muss, den er erbt. Bei einem Kleinbetrieb muss er selbst körperliche Arbeiten übernehmen. Bei einem großen Betrieb stehen Planungs- und Leitungsaufgaben im Vordergrund. Auch ein körperlich eingeschränkter oder körperbehinderter Hoferbe kann einen größeren Betrieb bewirtschaften, wenn er Landwirtschaft studiert hat. Hierfür gibt es viele Beispiele in der Praxis.

Wenn Sie einen Hof zu vererben haben, lassen Sie sich rechtzeitig anwaltlich und steuerlich beraten.

(Artikel aus der Land- und Fortstwirtschaftlichen Zeitung NDS 29.09.2016)

Christian Hausherr

Christian Hausherr

Rechtsanwalt und Notar
Fachanwalt für Insolvenzrecht
Betriebswirt (IWW), Wirtschaftsmediator,
Zertifizierter Restrukturierungs- und Sanierungsberater (RWS)

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